

Deaf Performance
Wenn ich sage, dass ich Deaf Performance mache, fragen sich viele, was das eigentlich bedeutet. „Performance“ – okay, das können sich die meisten noch vorstellen. Aber „Deaf“? Taube Performance? Da verknoten sich so manche Gehirnstränge.
Früher wurde es oft als Musikdolmetschen bezeichnet, doch das trifft es nicht wirklich. Musik ist Kunst. Und Kunst ist Interpretation. Nehmen wir mal "Mad World" von Gary Jules – die einen hören darin Einsamkeit, andere eine Gesellschaftskritik. "Bohemian Rhapsody" von Queen? Eine Beichte, ein Schuldbekenntnis? Oder einfach eine kunstvolle Geschichte? Und "The Sound of Silence" – eine Kritik an der modernen Gesellschaft, die verlernt hat zu kommunizieren? Oder doch ein Lied über Verlust, Depression, das Gefühl, unsichtbar zu sein?
Kunst lebt von Interpretation. Nicht umsonst war Deutsch LK.
Kann man das alles eins zu eins übersetzen? Schwierig. Deshalb spricht man nicht von Dolmetschen, sondern von Performance – oder Kunst. Wenn wir einen deutschen Song auf Englisch gesungen haben möchten, nehmen wir ja auch keinen Dolmetscher dafür, sondern jemanden, der auf Englisch singen kann. Hier dasselbe Spiel.
Ich bin Künstlerin. Ich interpretiere Songs auf meine Art und übertrage sie in Gebärdensprache. Aber nicht einfach Wort für Wort. Ich versuche, das zu zeigen, was der Künstler ausdrücken wollte – oder das, was man fühlt, wenn man den Song hört. Und das ist eben oft Interpretationssache.
Der zweite Part ist mindestens genauso wichtig: Rhythmus, Ausdruck, Energie. Ich performe nicht nur in Gebärdensprache – ich achte darauf, dass es taktisch stimmt, dass ich mich im gleichen Rhythmus bewege, wie der Künstler den Song singt und spielt.
Das geht weit über eine einfache Übersetzung hinaus. Es ist eine Verbindung zwischen Sprache, Musik und Bewegung. Und ja, auch in Gebärdensprache gibt es Reime, visuelle Muster, rhythmische Elemente. Die baue ich gerne ein, wenn mir genug Zeit bleibt, mich tief mit einem Song auseinanderzusetzen.
Bei großen Konzerten und Festivals ist das nicht immer möglich, aber gerade in Musikvideos kann ich die Songs genau so zum Leben erwecken, wie sie gefühlt werden sollen.
Was viele nicht wissen: Jede Deaf Performance ist individuell. Zwei Künstler können denselben Song ganz unterschiedlich performen – weil sie ihn anders fühlen, anders interpretieren, andere Schwerpunkte setzen. Genau das macht es zur Kunst.
Deaf Performance ist nicht einfach nur Hände, die sich bewegen. Es ist Kunst. Und Kunst ist spürbar.
Nicht umsonst sagen viele, wenn sie das zum ersten Mal sehen, dass sie Musik auf eine tiefere, neue Ebene erleben – dass sie sie neu spüren. Es ist emotionaler, trifft manchmal härter als Musik es allein könnte, und öffnet einen Raum, der weit über das Hören hinausgeht.
Es geht nicht nur darum, einen Song in Gebärdensprache zu übersetzen. Es geht darum, ihn zu fühlen, ihn sichtbar zu machen. Jede Bewegung trägt die Emotion des Songs, jedes Zeichen folgt dem Rhythmus, der Dynamik, der Energie. Musik wird nicht nur gehört oder verstanden – sie wird sichtbar, greifbar, fühlbar.
Deaf Performance ist mehr als eine Übersetzung. Es ist eine Kunstform, die Grenzen sprengt und Musik auf eine Weise erfahrbar macht, die viele so noch nie gespürt haben.
Und by the way:
Wie cool ist es eigentlich, wenn man ein Lied hört, dabei gebärdet - und automatisch eine neue Sprache damit lernt?